PROJEKT
Einordnung
Das Kleinkastell in Pohl ist ein Holz-Erde-Werk, baukonstruktiv fast ganz ohne die Verwendung von Steinen und Ziegeln errichtet. Es wurde hypothetisch an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert, vielleicht unter Kaiser Trajan, konzipiert und ausgeführt. Es gehört zu den frühesten Bauwerken am Obergermanisch-Raetischen Limes.
Zeitgleich – um 100 n. Chr. – bestanden größere Erdkastelle in Marienfels. Dort, in einiger Entfernung zur Limeslinie mit den Wachttürmen, waren die Auxiliarsoldaten regulär einquartiert. Im dortigen Lagerdorf (vicus) gab es ein Badegebäude, Händler, Schankwirte und Garküchen. Etwa zwei bis drei Generationen später werden die Pohler und Marienfelser Holz-Erde-Werke von Kastellen mit steinernen Wehrmauern, Türmen und Toren abgelöst. In Hunzel haben sich keine öbertägigen Reste erhalten. Das Römerkastell Holzhausen ist hingegen eine der besterhaltenen Kastellruinen überhaupt. Interessante Funde und Erläuterungen zur kleinräumigen Lebenssituation der Römer im Lahntaunus sind in der 2019 neu konzipierten Ausstellung im Limeskastell zu sehen.
IMPERIUM SINE FINE
Grenzenloses Imperium: im 2. Jahrhundert nach Christus verlief die Grenze des Römischen Reiches über 5.500 km auf drei Kontinenten. Seit 2005 besteht Welterbestatus für den Obergermanisch-Raetischen Limes.
Der Obergermanisch-Raetische Limes trennte auf 550 km Land- und Flußgrenzen das einstige Römische Reich zwischen dem Mittelrhein bei Rheinbrohl im Norden und Kelheim an der Donau im Süden vom nicht römisch-zivilisierten barbaricum. Die Pohler Nachbauten erzählen exemplarisch von Stationen und Episoden eines großen Reiches: die Machtzentrale in der Kaiserstadt Rom, der Provinzhauptstadt Obergermaniens mit dem Legionslager Moguntiacum (Mainz) und dem Kleinkastell Pohl an der nördlichen Grenze des Imperiums.
Der nördlichste Abschnitt des Obergermanisch-Raetischen Limes umfasst in Rheinland-Pfalz 75 km Patrouilleweges und Sperranlagen, 131 Wachtposten mit Türmen sowie 19 Kastelle unterschiedlicher Größe, Besatzung und Bauart. Die Trassierung und die erste militärische Belegung fanden am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. statt und wurde vom kaiserlichen Statthalter in Mainz koordiniert. Die Limeslinie wurde sehr kundig an die Gegebenheiten der Mittelgebirgslandschaft angepaßt. Während der fast 200 Jahre ihres Bestehens wurden keine grundsätzlichen Lagekorrekturen vorgenommen.
Bei Pohl beschreibt die Trasse des Limes einen signifikanten Bogen. Man geht davon aus, dass dieser sich an bereits vor der Ankunft römischer Truppen genutzter Wegeverbuindungen orientiert und schreibt dem Pohler Kastell daher auch die Funktion einer Zollstation zu. In Reichweite der Pohler Nachbauten liegen die gut erhaltenen Ruinen des Römerkastells Holzhausen.
In den etwa 150 Jahren des Obergermanisch-Raetischen Limes wurden Grenzüberwachung und Baukonstruktionen stetig verbessert. Pohl steht ganz am Anfang dieser Entwicklung. Hier wurden reine Holz-Erde-Werke errichtet, ohne Verwendung von Steinen und Ziegeln. Die Wallanlage des Kleinkastells bestand etwa aus aufgesetzten Rasensoden, gekrönt von einer hölzernen Brustwehrmauer mit Zinnen. Auch die Innenbauten waren Holzfachwerke. Eine beeindruckende Fernwirkung war den römischen Heeresarchitekten wichtig: Die Bekleidbretter aller Bauteile waren als Anmutung einer weißen Steinquadermauer mit roten Fugenstrichen versehen. Die Reliefs der Trajanssäule in Rom zeigen Wachttürme und Kastelle mit Fachwerk, die solchermaßen verziert waren. Germanen dürften angesichts der Fassadenpracht gestaunt haben. Nur bei näherem Hinsehen und Anfassen war festzustellen, dass die Bauten aus Holz waren und nur vorgaben, aus Stein errichtet zu sein.
Die Überwachung des Limes oblag Auxiliareinheiten, deren Soldaten aus der provinzialen Bevölkerung rekrutiert wurden und erst am Ende ihrer Dienstzeit für sich und ihre Familien römisches Bürgerrecht erhielten. Das Kleinkastell in Pohl hat einer centuria von höchstens 80 Mann Platz geboten. Die einfachen Soldaten waren in contubernia (Stubengemeinschaften) von acht Mann organisiert. Dienst und tägliches Leben wurden in dieser Gemeinschaft absolviert. Dem Kleinkastell waren in der Aufbauphase des obergermanischen Limes vermutlich besondere Aufgaben zugekommen. Möglicherweise erfolgten von hier aus die Absteckung und die Errichtung der Limeslinie von der Lahn zum Taunus. Wichtig war auch der organisatorische Aufbau der Grenzüberwachung von Personen und Waren, einschließlich der Erhebung von Zoll und Tribut sowie der militärischen Beschaffung. In Pohl haben zu Beginn vielleicht Spezialisten (z.B. Heeresarchitekten, Militärstrategen, Logistiker) der Mainzer Legionen Quartier genommen, um die Mess- und Bauabteilungen für den Limes zu organisieren und anzuleiten.
Ernst Fabric
Umfangreiche Ausgrabungen vor mehr als 100 Jahren hatten das Ziel, den Gesamtverlauf des Limes zu klären und Limesbauwerke wie Kastelle und Wachtürme zu lokalisieren. Zwischen 1897 und 1900 wurde der Fundplatz in Pohl von der Reichs-Limeskommission erstmals archäologisch untersucht. Ernst Fabricius gelang 1903 die wesentliche Klärung und Kartierung der in Äckern und Feldern obertägig nicht sichtbaren Limesreste. In den Profilen der mit dem Spaten angelegten Suchgräben und Schnitten erkannte er an Erdverfärbungen Turmstellen und Gräben des Kleinkastells. Jüngst erfolgte geophysikalische Untersuchungen bestätigen die Lage des Kastells, wie sie bereits durch die Reichs-Limeskommission prospektiert wurde. Der heutige Nachbau befindet sich ca. 150 m nordwestlich des antiken Originals.
Limeskastell Pohl
Kirchstraße
56357 Pohl
06772 9680768